Nationalsozialismus

Todesmärsche in Bayern – Quellen

Bericht über den Durchmarsch Gefangenen-Kolonnen im März 1945

Günter Herbell
Gefrees / Obfr.
Metzlersreutherstr. 21.

Bericht

über den Durchmarsch russischer und britischer Gefangenen-Kolonnen und K.Z. Häftlingen im März 1945.

Im März 1945 berührten große Marschkolonnen der Gefangenenlager aus den Ostgebieten und der Konzentrationslager (wahrscheinlich Buchenwald) Gefrees. Während die englischen Kriegsgefangenen in guter Disziplin und in sichtbar gutem Ernährungszustand diesen Marsch bewältigen konnten, machten die K.Z.-Kolonnen schon einen erheblich schwächeren Eindruck. Es war jedoch nicht möglich, Verbindung mit ihnen aufzunehmen, weil sie von S.S.-Wachmannschaften streng bewacht wurden. Einen völlig verelendeten und völlig verhungerten Eindruck machten die russischen Kriegsgefangenen, die auch ausgeschlossen waren vom Empfang der Rote-Kreuz-Pakete, die gerade in Gefrees zu dieser Zeit durch das Genfer Rote Kreuz an die britischen Kriegsgefangenen verteilt wurden.

Für die während des Marsches in der Umgebung von Gefrees wegen Krankheit ausgefallenen Kriegsgefangenen wurden in Gefrees 2 Notlazarette eingerichtet. Für die britischen Soldaten im Volkshaus, für die russischen Soldaten im Saal des Gasthofes Grüner Baum. Das Volkshaus war belegt mit ca. 25 britischen Soldaten unter Führung eines englischen Sanitätsfeldwebels, der Saal im Grünen Baum war belegt mit rund 150 Russen. Beide Abteilungen wurden ärztlich betreut von einem deutschen Oberarzt, einem deutschen Sanitätsfeldwebel und zwei Sanitätsgefreiten. Als Dolmetscher bei den Engländern fungierte ich. Ich war auch bemüht, den Schwerkranken unter den Engländern nachts zusätzlich Lebensmittel und erforderliche Krankenkost, wie beispielsweise heiße Milch, zu bringen. Für die Russenabteilung dolmetschte Herr Georg Korn aus Gefrees, der täglich 3 – 4 Stunden in dem Saal der Russen zubrachte und diesen Ärmsten auch manche Linderung brachte. Während im englischen Revier kein Todesfall zu verzeichnen war, starben unter den Russen täglich etwa 6–8 Soldaten an Unterernährung und infektiösen Krankheiten. Die Ernährung für die Russen war mehr als mangelhaft, die Behandlung aller Kriegsgefangenen durch den erwähnten deutschen Oberarzt pflichtbewusst und gerecht. Über das Marschziel aller Kolonnen ist mir nichts bekannt, ebenso wenig über ihren Verbleib. Beim Einmarsch der Amerikaner konnte ich dem ersten amerikanischen Offizier den Rest der hier verbliebenen Kriegsgefangenen, nämlich etwa 9 Engländer und etwa 30 Russen, übergeben. Die übrigen waren inzwischen abtransportiert worden. Der deutsche Oberarzt mit seinen Mitarbeitern ist am 15. April 1945 in Gefrees in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten.

Gefrees, den 25. Juli 1947
gez. Günter Herbell


Datum Ereignis00.00.0000
Datum Bericht25.07.1947
EreignisBericht über den Durchmarsch Gefangenen-Kolonnen im März 1945
PLZ / Ort Gefrees
Quelle https://digitalcollections.its-arolsen.org/050301/content/pageview/298976

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